Du bist noch jung, du hältst das aus. 

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Ich saß im Auto, fuhr auf der Autobahn in Richtung meiner Wohnung und rief meine Eltern an. Mir schossen die Tränen in die Augen: „Ich weiß überhaupt nicht mehr, wer ich bin! Ich weiß nicht, was ich will und scheiße, ich weiß gar nichts mehr!“

In diesem Blogartikel möchte ich Dir von den Gefühlen erzählen, die ich durchlebt habe, als ich mich in meiner ersten Lebenskrise befand.

Was will ich eigentlich? 

Ich bin nicht mehr ich. Ich fühle mich fremd in meiner Haut. Bin ich jahrelang auf das falsche Ziel zugelaufen? Hatte ich überhaupt ein Ziel? Ich weiß es nicht. 

Eigentlich wollte ich einfach nur „erfolgreich sein. So erfolgreich, wie… meine Eltern? …die Unternehmensberater:innen bei BCG? …mein Chef? …Louisa Dellert? … Michelle Obama? … Keine Ahnung. Wichtig war mir nur, dass ich erfolgreich bin und niemals auf der Stelle trete, glaube ich. 

Bis zum Zusammenbruch hatte ich mich nie wirklich ernsthaft mit meinen Zielen beschäftigt. War ja auch nicht nötig – ich bin einfach losgelaufen und was ich auch gemacht hab, es hat schon irgendwie geklappt. Applaus gab’s auch reichlich – mit 21 hatte ich mein 1er Abi, eine top Ausbildung und den Bachelor of Science in der Tasche. Zeit, das zu feiern gab’s halt nicht, es ging direkt weiter mit dem Masterstudium. Alles neben dem Job, der bloß nicht zu einfach sein darf. Klar. 

Sorgen um meine Gesundheit hab ich mir nie gemacht. Warum auch? Ja, mein Leben ist stressig und Pausen mach ich schon lange nicht mehr. Aber ich will’s ja so. Mein Chef sagt immer beiläufig „Du bist noch jung, du hältst das aus.“, wenn ich erzähle, dass ich heute müde bin, weil ich nach den 10 Stunden Arbeit im Homeoffice gestern noch 6 Stunden an der Masterthesis saß. Und damit hat er ja auch recht. Wenn ich jetzt – mit 24, single, keine Kinder, Berufseinsteigerin – nicht belastbar bin, wann denn dann? Und belastbar bin ich ja wohl! 

Hätte ich mal früher gewusst, wie sich das 2 Jahre später für mich liest, wäre mir wohl viel Schmerz erspart geblieben. Was ich jetzt als erschreckend, als Warnsignale und als völlig offensichtliches Sprinten in den Abgrund betrachte, war für mich damals der vollkommen selbstverständliche Arbeitseinsatz. Ich hatte eher das Gefühl, zu wenig zu leisten, als zu viel. 

Meinen beruflichen Werdegang hatte ich mir damals auch nur ausgesucht, weil es das ambitionierteste Studienprogramm war, das ich auf Anhieb finden konnte. Und es war auch ambitioniert! Meine Güte, wieviele Stunden, Tage, Nächte ich am Schreibtisch und in der Bib beim Lernen und Schreiben verbracht hab. Und wie sehr ich mich anstrengte, um ja eine gute Leistungsbeurteilung nach dem Abteilungseinsatz im Unternehmen zu bekommen.

War das alles umsonst? 

Die Frage drängte sich auf, als ich weinend auf der Autobahn fuhr und mit meinen Eltern telefonierte. Nein, kann nicht sein. Darf nicht sein. Ich kann doch jetzt nicht alles wegschmeißen, wofür ich locker 10 Jahre meines Lebens gearbeitet habe! Ich mein – ich hatte nie ein wirkliches Ziel, außer eben die Dinge zu absolvieren, die ich beginne. Das wird schon wieder. Ich halte das aus, ich bin ja noch jung. Das ist nur ein kurzer Nervenzusammenbruch, hat bestimmt jede:r mal. 

„Es fühlt sich an, als hätte ich mit all meiner Kraft und Ausdauer einen wahnsinnig hohen Gipfel erklommen, und jetzt, wo ich ganz oben stehe und es geschafft habe, sehe ich: nichts. Der Blick ist durch Nebel versperrt, oder die Aussicht gefällt mir einfach nicht. Als wäre die ganze Anstrengung, die ganze Mühe umsonst.“ – So habe ich es damals meiner Therapeutin beschrieben. 

Ich habe ewig gebraucht, um zu verstehen, dass der Gipfel mir auch mit vernebelter Sicht viele Türen öffnet und mir der Weg zum Gipfel wichtige Erfahrungen gebracht hat. Jetzt, zwei Jahre nach meinem Burnout, bin ich glücklich und erfüllt. Warum? Weil ich Antworten gefunden habe auf Fragen, die ich nie dachte, sie mir ernsthaft stellen zu müssen. 

Wer bin ich eigentlich? 

Was sind meine Stärken? Was sind meine Werte? Was sind meine Ziele? Passt all das zusammen? Wie kann ich meine Ziele nach meinen Werten ausrichten? Und wie nutze ich meine Stärken, um meine wertebasierten Ziele zu erreichen? All das hab ich langsam, Stück für Stück, eine Frage nach der anderen beantworten können. Indem ich mich mit mir selbst auseinander gesetzt habe. 

Allein hätte ich das niemals geschafft. Auch in der Therapie konnte ich bei weitem nicht alle Fragen für mich klären.

Austausch mit anderen Betroffenen

Mit anderen „Burnout-Survivern“ zu sprechen und mich auszutauschen, hat mir wahnsinnig viel Halt gegeben. Ich habe nicht „versagt“, es gibt Tausende, die etwas ähnliches erlebt haben. Ich bin nicht allein mit meinen Gedanken und Gefühlen. Es gibt unendlich viele Foren, Facebook-Gruppen und andere Plattformen, auf denen man sich mit anderen Betroffenen austauschen kann. 

Ich habe meine Peers vor allem in der Zukunftswerkstatt kennengelernt. Wir haben dort gemeinsam an unseren Glaubenssätzen und inneren Konflikten arbeiten können und uns auch abseits der Live-Sessions vernetzt. Das tat wahnsinnig gut! 

Burnout Austausch mit anderen Betroffenen
Du bist nicht allein! Austausch hilft ungemein.

Selbstreflexion

Man hört es überall. Nein, es ist nicht das „Allheilmittel“ – aber es hilft unglaublich, sich mit den eigenen Stärken, Werten, Zielen, Gewohnheiten, Vorstellungen auseinanderzusetzen. Ob im Rahmen einer Therapie, im Gespräch mit den Liebsten, in einer Selbsthilfegruppe, mit einem Workbook oder ganz für sich – es tut einfach gut, das rauszulassen, was sich im Gedankenkarussel nur anstaut und sich nicht auflöst. 

Schau dir dazu auch den Blogartikel „Wie Selbstreflexion mich vor einem Burnout schützte“ von Udo an. Er beschreibt, wie Selbstreflexion ihn präventiv vor dem Burnout geschützt hat.

Mir Pausen zugestehen

Ich bin noch jung, aber ich muss das nicht aushalten – und auch ein junger Mensch kann nicht alles aushalten! Es ist nicht nur okay, sich ab und zu eine kleine oder eine große Pause zu gönnen, es ist sogar notwendig. Wer dankt es uns, wenn wir uns kaputt gearbeitet haben? Niemand. Wer dankt es uns, wenn wir auf uns aufpassen? Unser Körper! Unser Umfeld! Unser Leistungsvermögen! 

Burnout Pausen zugestehen
Innehalten und Durchatmen hat einen hohen Wert

Was ich gelernt habe aus diesem wilden Ritt: 

💚 Ohne genug (6-9h) Schlaf funktioniere ich nicht halb so gut. 

💚 Wenn mir etwas keinen Spaß macht oder ich kein Interesse an meiner Aufgabe habe, muss ich zumindest einen tieferen Sinn hinter der Aufgabe sehen.

💚 Wenn ich keinen tieferen Sinn hinter einer Aufgabe sehe, sollte ich mich dringend fragen, ob ich sie nicht delegieren oder verschieben kann.

💚 Wenn ich etwas mit dem Glauben mache, es „nur eine Weile aushalten“ zu müssen, ist das ein Warnsignal! Stop it! 

💚 Ich muss nichts aushalten, nur weil ich „jung“, „sportlich“, „belastbar“ oder irgendetwas anderes bin!

Hast du das Gefühl, sehr erschöpft zu sein? Stellst du gerade alles in Frage und weißt nicht weiter? Damit bist du nicht allein – auch, wenn es sich gerade so anfühlt! Schau mal hier vorbei und überprüfe, ob du gefährdet bist, in ein Burnout zu laufen.

Such dir Hilfe und sprich über deine Gedanken! Stay! 💚👣

Akute Hilfe bekommst du unter der Rufnummer 116117 oder auf www.116117.de 

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